Es sind Sommerferien. Der Schulhof der ESBZ – Evangelische Schule Berlin Zentrum – wirkt verlassen; ein selbsterbauter Lehmofen und einige Europaletten sind zu sehen, das Entscheidende, die Seele dieses Ortes, fehlt jedoch: die Schülerinnen und Schüler. Es sind aber nicht nur die 550 Kinder und Jugendlichen, die ihn beleben und die Räumlichkeiten zu Orten des Lernens erwecken. Margret Rasfeld kommt hastigen Schrittes auf uns zu, begrüsst uns mit einem Lächeln und dem Zuruf, sie müsse noch kurz in die Werkstatt mit dem Hausmeister und sei dann gleich für uns da.
Margret leitet die ESBZ seit ihrer Gründung vor acht Jahren. Seit 1976 ist sie als Lehrerin und später als Schulleiterin tätig. Sie gilt als Bildungsinnovatorin, ist Mitbegründerin der Initiative Schule im Aufbruch und eine gefragte Referentin.
Die Türe des Gebäudes gegenüber schwingt auf und Margret kommt zu uns zurück, dankt für unsere Geduld und meint strahlend: „Der beste Hausmeister auf der ganzen Welt.“
Wir setzen uns in ihr bücherreiches Büro. Schade seien die Schüler nicht hier, meint sie, dann hätten wir die Schule umfassender erleben können. Denn sie stehen hier ihm Mittelpunkt, „es braucht einen Wechsel im Schuldenken, weg vom Stoff hin zum Menschen“. Leider habe dieser bei den meisten Bildungsinstitutionen noch nicht stattgefunden, im Gegenteil, die Tendenz gehe in Richtung noch mehr messbare Leistung. „Wenn sich etwas transformiert, sind immer starke Gegenkräfte da, die noch mehr vom Alten produzieren, auch wenn das Neue schon in der Welt ist.“ Dies sei eine normale Abwehrreaktion des Systems in Zeiten des Wandels.
Die Schule ist ein wichtiger und einflussreicher Faktor für den gesellschaftlichen Transformationsprozess. Margret ist sich als Schulleiterin dieser Verantwortung und Möglichkeiten bewusst. Sie sieht sich als Brückenbauerin – vom alten Denkmuster zum neuen Verständnis von Schule. „Wir knüpfen an Gewohntes an und erweitern dann.“ So gibt es neben den Lernbüros für Deutsch, Mathe, Englisch, Natur und Gesellschaft auch Werkstätten und Projekte, die teilweise von externen Partnern durchgeführt werden. Zudem gibt es die Fächer Verantwortung und Herausforderung. In Verantwortung übernehmen die Schüler eine soziale Aufgabe in der Gesellschaft. „Das Gefühl gebraucht zu werden sowie das Wissen, dass diese Leute auf sie warten und sie wichtig für sie sind, stärkt das Selbstwertgefühl und den Handlungsmut.“ Die Herausforderung führt aus Berlin heraus, die Jugendlichen suchen sich eine Herausforderung und organisieren diese selbst. Sie ziehen meist in kleinen Gruppen los, mit 150€ pro SchülerIn für drei Wochen. Auf Wanderungen, Kanutours oder in ausländischen Schulen sind sie auf sich alleine gestellt – und wachsen über sich selbst hinaus. „Es ist erstaunlich, was sie leisten, wenn man sie denn lässt.“
Margret ist überzeugt, dass wir Menschen drei Dinge brauchen: Vision – Mut – Beispiel.
„Meine Vision ist es, dass sich Kinder in Schulen entfalten können; dass sie ein Feld vorfinden, wo sie gute Begleitung haben und ihren eigenen Interessen nachgehen können. Die Schule soll ein Ort sein, wo ohne Angst gelernt wird – ein Ort, von dem viel Wirkung in die Gesellschaft ausgeht.“ Den Mut muss jeder selber aufbringen – positive Erlebnisse mit mutigen Handlungen, ein starkes Selbstwertgefühl und das richtige Einschätzen der eigenen Fähigkeiten helfen dabei. Das Beispiel bietet Margret mit ihrer Schule, die einen anderen Umgang mit Bildung vorlebt. „Die Aufgaben der Schule gegenüber der Gesellschaft sind folgende: Kinder zu mündigen Bürgern erziehen, am Zahn der Zeit sein, auf die Zukunft vorbereiten – heisst mit Unsicherheit umgehen lernen, vermitteln von Grundwissen sowie Fähigkeiten über die jetzigen Fächer hinaus.“
Das Wesentliche im Leben und somit auch in der Schule sei das Handeln, es solle mindestens einen Drittel der Schulzeit einnehmen. „Wir müssen gemeinsam als Gesellschaft ins Handeln kommen, aktiv werden und unsere Umwelt mitgestalten.“
Fotos: Josephine Weber